Körperarbeit Teil 2

Posted by : Cecilia Batzler 24. Januar 2023

Körperarbeit Teil 2

Lerne keinen Körper kennen

Ist jeder automatisch Körpertherapeut, der Körpertherapie anbietet?

Diese Frage klar und deutlich zu beantworten, ist gar nicht so einfach, zumal der Begriff Therapeut heutzutage für vieles herhalten muss. Deswegen nähere ich mich schrittweise dem Begriff. Ein Therapeut (griechisch: der Behandler) ist ein Anwender therapeutischer Verfahren. Jeder Therapeut ist demnach ein Behandler, doch nicht jeder Behandler ist ein Therapeut und darf sich als solcher bezeichnen. Denn der Begriff Therapeut suggeriert, dass der Behandler eine heilkundliche Behandlung ausführen würde. Heilkunde betreiben im Sinne von Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden ist wiederum nur approbierten Ärzten und dem Heilpraktiker mit Erlaubnis (Heilpraktikerschein) vorbehalten. Eine Ausnahme bildet der Psychotherapeut. Insofern ist von der Begrifflichkeit her äußerste Vorsicht geboten, wenn die Bezeichnungen Therapeut und Heilkunde miteinander korrespondieren. Menschen, die Bodywork oder Körperarbeit oder schlichtweg Anwender therapeutischer Verfahren, die jedoch KEINE THERAPEUTEN sind, umgehen so gut es geht den Begriff. Einige weisen zusätzlich darauf hin, dass ihre Behandlungsmethode keinesfalls die Diagnose oder Behandlung eines Arztes oder eines Therapeuten ersetzen würde. Für mich arbeitet jeder Mensch therapeutisch, der den Menschen nicht nur einseitig, sondern ganzheitlich betrachtet. Jemand, der in der Lage ist, AUF den Menschen, IN den Menschen und HINTER den Menschen zu blicken, arbeitet in meinen Augen therapeutisch – ob der nun laut Gesetz approbiert ist oder die Heilerlaubnis besitzt.

 

Warum jegliche Arbeit am Körper heutzutage immer wichtiger wird

„Ich spüre mich nicht.“

„Ich weiß nicht, was Mitgefühl ist.“

„Ich kann gar nicht trauern.“

„Ich habe verlernt, wie weinen geht.“

Solche und ähnliche Aussagen häufen sich in meiner Praxisarbeit. Menschen wie Du und ich, die sich selbst in ihrem Sein nicht mehr spüren. Ein Mensch, der sich selbst nicht mehr spürt, kann wiederum weder Empathie noch Mitgefühl für andere Mitmenschen fühlen. So entstand Schritt für Schritt die Gefühlskälte, die auf unserer Welt herrscht.

Der Zugang zu uns selbst geht nun mal über den Körper. Der Körper, unser Leib, schwingt wie eine semipermeable Membran zwischen dem Außen und dem Innen – sprich zwischen der Außenwelt und unserem Innenleben. Diese Körpermembran kann jedoch nur frei schwingen, wenn wir fühlen können. Entgegen der viel und oft besungenen Feelgood-Gefühlswelt ist es viel wichtiger, dass Du DICH GUT FÜHLST und nicht unbedingt, dass Du Dich ständig gut fühlst, also demnach immer gut gelaunt bist. In meiner Körperarbeit in der Praxis merke ich, dass die Sinneswahrnehmung bei vielen Menschen nachgelassen hat. Bekanntlich haben wir Menschen 6 Sinne – Sehen, Riechen, Schmecken, Hören, Fühlen und den Gleichgewichtssinn. Erst im 19. Jahrhundert endeckten Forscher den Gleichgewichtssinn im Innenohr und dieser wird bei der Aufzählung unserer Sinne des Öfteren vergessen. Zwischen diesen 6 Hauptsinnen befinden sich noch andere Sinne, die bei gut schwingender Körpermembran wie ein Netz ineinander übergehen und dementsprechend auch ohne Übergang erlebt (gefühlt) werden. Selten erleben wir einen Reiz mit nur einem Sinnesorgan, richtig?

Nehmen wir als Beispiel die Sonne. Die Sonne nimmst Du mit den Augen auf und siehst die Helligkeit. Mit der Haut und Du fühlst die Wärme oder Hitze. Mit der Nase und Du riechst den Sommer. Über die Nase schmeckst Du die Sommergenüsse. Mit dem Ausdehnen jeglichen Körpers durch die Wärme oder die Hitze hörst Du das Knistern. Und mit dem Gleichgewichtssinn, ob Du Dich gerade wohlfühlst. Allein durch das Lesen der obigen Sätze, durch meine lebendige Beschreibung, kann bei Dir ein Gefühl wach werden, was Du persönlich mit dem Begriff Sonne verbindest. Bei Menschen, die sehr feinfühlig oder feinspürig sind, kann es durch eine solche Beschreibung zu einer wahren Gefühlskaskade kommen. Bedenklicher finde ich diejenigen Menschen, die sich durch keine Beschreibung auf ein Gefühl einlassen können. „Ich fühle mich nicht. Ich fühle nur den Schmerz.“

Was ist da passiert, dass solche Menschen nur noch das Extrem – in diesem Fall den Schmerz – fühlen können? Wo sind die anderen Sinne und Gefühle geblieben, die alle von Geburt an alle Menschen haben? Wie fühlt sich das wohl an, NICHT FÜHLEN zu können? Von einer Patientin bekam ich einmal den Auftrag, sie durch meine Körperarbeit wieder zum Weinen zu bringen. Das mag für Dich beim ersten Lesen eigenartig klingen und doch lautete ihr Wunsch, ihr klar ausgesprochener Auftrag, ich möchte sie wieder ihren Tränen näherbringen. In ihrem Fall verkapselte sich das Gefühl TRAUERN tief in ihrem Innern, als sie ein Trauma durch einen plötzlichen Todesfall in der Familie erlitt. Sie schaltete damals auf Funktions- und Überlebensmodus und übersprang die komplette Trauerphase. Dadurch trennte sich die Emotion von ihr und stempelte sie für ihr fortwährendes Leben mit einer gewissen Egalität sich selbst und ihren Mitmenschen gegenüber ab. Erst durch eine Behandlungsreihe und das offene Gespräch öffneten sich die Schleusen von außen nach innen, was ihr letzten Endes das Weinenkönnen zurückbrachte.

Dies ist lediglich ein Beispiel dafür, warum ich das Fühlen und das Sich-Spüren als lebenswichtig, ja sogar als ÜBERlebenswichtig erachte. Stell Dir einen Menschen vor, der in allem bis zum Äußersten geht, um sich selbst überhaupt spüren zu können. Sein Leben verläuft bildhaft gesehen im absoluten Zickzack. Er ist nicht in der Lage, ein Mittelmaß zu finden und zielt von einem Extrem zum nächsten. Übertrieben früher Rauchkonsum. Unermessliche Mengen an harten alkoholischen Getränken. Unvorstellbare Mixturen von Rauschmitteln. Barbarische körperliche Gewalt sich selbst und anderen Menschen gegenüber. Und all das ab dem zarten Kindesalter von 11 Jahren. Es ist beinahe ein Wunder, dass dieser Mensch noch lebt, nicht wahr? Er hat all diese selbst zugeführten Torturen überlebt, mit dem Ergebnis, dass mit Mitte 40 beinahe nichts an ihm dort ist, wo es sein soll. Dass an seinem System nichts mehr so ist, wie es sein soll. Erst durch die intensive Zusammenarbeit mit anderem ihn ebenso betreuenden Fachpersonal haben wir ihn so weit wiederhergestellt, dass er leben kann. Allerdings wird er immer Betreuung und Medikation brauchen.

Nun mag bei Dir der Gedanke hochkommen, dass diese beiden Beispiele dem absolut Extremen angehören. JA und Nein lautet da meine Antwort. JA, diese beiden Fallbeispiele sind extrem, wobei sie nicht so selten sind, wie Du vielleicht glauben magst. Diese Fälle werden nur nicht gerne an die Öffentlichkeit getragen, denn sie zeigen und bestätigen, wie sehr sich die Gesellschaft doch gewandelt hat, dass solche Menschen sich kaum getrauen, Hilfe aufzusuchen. Zu groß ist die Gefahr, dafür bemitleidet oder gar geächtet zu werden. Bedauerlicherweise geschieht genau das, was sie befürchten, und es bedarf viel Fingerspitzengefühl, damit sie die Therapie fortführen und sich nicht wieder komplett zurückziehen.

Meines Erachtens sollte Körperarbeit schon sehr viel früher anfangen, und zwar BEVOR es als überdeutliches Symptom am Körper angezeigt wird. Genau hierfür möchte ich durch meine praktische Arbeit und auch durch das Wort als Gesundheitsreferentin sensibilisieren.